Zertifizierungen von nachhaltigen Quartieren - wer macht es und worauf achten zertifizierende Stellen?
Die Verstädterung unserer Gesellschaft nimmt seit Jahrzehnten verstärkt zu. Dies hat zur Folge, dass mit der Erweiterung des Wohn- und Immobilienmarktes auch die Forderung nach Qualitätssiegeln und nachhaltigen Bauprojekten gestiegen ist.
Nicht nur im deutschsprachigen Raum, sondern weltweit hat die Bedeutung von Nachhaltigkeitszertifizierungen von Bauprojekten im letzten Jahrzehnt enorm zugenommen. Der Markt hat sich den Forderungen angepasst und sowohl neue Siegel eingeführt als auch bereits bestehende Qualität Siegel überarbeitet.
Die Zertifizierungssysteme BREEAM, DGNB und LEED stellen dabei unter anderem die gängigsten Qualitätssiegel dar. In diesem Beitrag zeigen wir Ihnen die neuesten Entwicklungen im Überblick.
BREEAM
Der Begriff BREEAM steht für “Building Research Establishment Environmental Assessment Method” und wurde im Jahr 1990 in Großbritannien entwickelt. Heute gilt BREEAM als das älteste und weithin verbreitetes Zertifizierungssystem für das nachhaltige Bauen. Ursprünglich begutachtete BREEAM lediglich die Phasen von der Planung des Bauprojekts bis hin zur Ausführung und Nutzen der Baugebäude.
Im Jahr 2008 jedoch erfolgte eine umfassende Novellierung des Zertifizierungssystems, welches heute den gesamten Lebenszyklus eines Bauvorhabens berücksichtigt. BREEAM vergibt folglich nach einem simpel gefassten Punktesystem ein Gütesiegel mit sechs Abstufungen in insgesamt zehn Beurteilungskategorien. Hierbei werden sowohl die Umweltauswirkungen auf globaler, regionaler, lokaler und innenräumlicher Ebene untersucht und bewertet.
Die zehn Beurteilungskategorien beziehen sich dabei auf:
-Management
-Wasser
-Energie
-Wohlbefinden und Gesundheit
-Innovation
-Abfall
-Landverbrauch
-Verschmutzung
-Material
-Transport
Für jede dieser Kategorien wird jeweils eine bestimmte Punktzahl vergeben. Zwar erfolgt die Punkteverteilung für jede Kategorie einzeln, doch die Kombinationen untereinander werden hierbei ebenfalls berücksichtigt, sodass aufgrund unterschiedlicher Gewichtungen die Punktzahl einzelner Kategorien zusammengerechnet werden kann.
Aus der gesamten Punktezahl resultiert anschließend die Wertung bezogen auf die Nachhaltigkeit des Baues. Die Bewertungskategorien unterteilen sich in:
· Herausragend
· Ausgezeichnet
· Sehr gut
· Gut
· Durchschnittlich
· Akzeptabel
Die Zertifizierungsmethode BREEAM wird unter anderem bei verschiedenen Gebäudearten wie Büroräumlichkeiten oder öffentlichen Gebäuden angewendet, aber auch bei Sanierungen und Neubau- & Industriebauten oder gar bei Wohnhäusern und gesamten Siedlungen.
Das DGNB: Genaue Kriterien und weitläufige Nutzungsvarianten
Der Begriff DGNB steht für “Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen” und gilt als das in Europa führende Zertifizierungssystem für nachhaltige Bauprojekte. Allein in den letzten Jahren konnte die DGNB bereits mehr als 6000 Auszeichnungen in insgesamt fast 30 Ländern vergeben. Im Jahr 2020 hat die deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen zwei bedeutende Entwicklungen in ihrer Zertifizierung beschlossen und wurde seitdem so oft angewendet wie noch nie zuvor.
Zum einen wurde eine neue internationale Version des DGNB-Systems veröffentlicht, welche erstmalig auf eine Vielzahl unterschiedlicher Gebäudearten anwendbar ist. So geht das neue System über die klassischen Wohnquartiere hinaus und umfasst unter anderem auch Industriebauten, Ferienresorts, Event-Areale, Bauten mit gewerblichen Fokus und auch sogenannte “Vertical Cities” mit dem Schwerpunkt auf Hochhäuser. Somit bietet das DGNB-System für jeden Stadtbaustein Leitlinien und Gütesiegel für eine nachhaltige Planung an.
Zum anderen wurde auch für die Zertifizierung nachhaltiger Quartiere eine neue Version von der DGNB entwickelt. Die internationale Version der Neubauzertifizierung berücksichtigt die DGNB spezifischen lokalen Anforderungen sowie regulatorische, klimatische und kulturelle Gegebenheiten der einzelnen Bauprojekte.
Das DGNB System gilt zudem als erstes System, welches klare Anreize für die Planung und Umsetzung von klimapositiven Gebäuden setzt und dabei Circular-Economy-Lösungen auf Gebäudeebene bewertbar und messbar macht.
Weitere bedeutende Nachhaltigkeitsanforderungen, die bei der DGNB Zertifizierung umfassend verankert und praxiserprobt sind, sind unter anderem:
-die Ökobilanzierung
-Lebenszykluskostenrechnung
-verpflichtende Messung der Innenraumqualität
-Vermeidung von Schad- und Risikostoffen
-Qualität von Bauprodukten
Mit der Auszeichnung “DGNB Diamant” stellt das DGNB System zudem das weltweit erste Zertifizierungssystem dar, welches ebenso die gestalterischen und baukulturellen Aspekte in der Bewertung adäquat berücksichtigt.
LEED: Zertifizierungssystem für ganze Städte
Als eines der weltweit führenden Nachhaltigkeits-Zertifizierungssysteme gilt das US-amerikanische LEED, welches als “Leadership in Energy and Environmental Design” zu verstehen ist und im Jahr 1998 auf Basis des britischen Zertifizierungssystems BREEAMS entwickelt wurde.
Im Jahr 2019 wurde das Zertifizierungssystem überarbeitet als “LEED for Cities and Communities. Diese Beta-Version lässt sich sowohl für die Planung und Ausbauung größerer Quartiere bis hin zu ganzen Städten anwenden - eine Mindest-Projektgröße gibt es hierbei jedoch nicht.
Seit 2019 haben bereits über 100 Projekte an dem “Leadership in Energy and Environmental Design” Zertifizierungssystem teilgenommen, davon waren jedoch weniger als 10 Projekte außerhalb der USA angesiedelt. Die Beurteilung von Bauprojekten und Gebäuden erfolgt durch eine Punktevergabe für einzelne Kriterien. Die Summe aller erreichten Punkte entscheidet, welches Gütesiegel dem Bauwerk zugeteilt wird. Das Zertifizierungssystem LEED bezieht sich bei der Bewertung auf alle Phasen des Lebenszyklus.
Die Bewertungskriterien hierbei lauten wie folgt:
-Wassereffizienz
-Energie und Atmosphäre
-Materialien und Ressourcen
-Innenraumqualität
-Innovation und Designprozess
-Nachhaltiger Grund und Boden
Die Zertifizierungsmethode LEED wird unter anderem bei Neubauten, Bestandsgebäuden, Kern- und Gebäudehüllen als auch bei Inneneinrichtungen öffentlicher Bürogebäude angewendet.
Fazit
Das nachhaltige Bauen wird nicht nur für den öffentlichen Sektor, sondern auch für Industriebauten und Privatgebäude immer bedeutender. Dazu tragen unter anderem auch zahlreiche neue Vorschriften sowie die Verschärfung der Gebäudestandards auf Niedrigstenergiegebäude bei. Durch das nachhaltige Bauen ergeben sich jedoch insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen auch finanzielle Vorteile, da unter anderem die gebäudebezogenen Kosten im Lebenszyklus eingespart werden können und ein gutes Qualitätssiegel auch zur Wertsteigerung des Baugebäudes beiträgt.
Durch das Qualitätssiegel werden jedoch nicht nur finanzielle Vorteile erzielt, sondern gleichzeitig auch eine positive und umweltbewusste Außenwirkung generiert. Die hier dargestellten Zertifikatssysteme geben einen Überblick über die verschiedenen Anforderungskriterien und Bewertungsgrundlagen der Gütesiegel.
Nachhaltiges Bauen kann Schritt für Schritt oder als Gesamtkonzept umgesetzt werden. Mit Hilfe umfangreicher Informationsmaterialien wird es auch für kleine und mittlere Unternehmen zunehmend leichter, die Grundpfeiler der Nachhaltigkeit umzusetzen.