Treasury - Zinsabsicherungen und Derivate richtig gestalten

Das Interview mit Mag. Wolfgang Fiedler - Head of Corporate Treasury Solutions der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien AG wurde am 08.03.2025 geführt. Wir bedanken uns herzlich für den spannenden Einblick.

1) Swaps & Caps – Welche Strategie passt in das aktuelle Marktumfeld?
Zinsabsicherungen wie Swaps oder Caps sind fester Bestandteil vieler Immobilienfinanzierungen. Wie sehen Sie aktuell die Nachfrage nach diesen Instrumenten, und welche Strategien empfehlen Sie Investoren in einem Markt mit weiter volatilen Zinserwartungen?

Seit die Zinskurve im Herbst 2023 eine massiv inverse Struktur angenommen hat, ist das Zinscap in der Bedeutung des Zinsrisikomanagements völlig in den Hintergrund getreten. Fast alle Kunden haben daher im Zeitraum von Ende 2023 bis Februar 2025 den Interest Rate Swap als Absicherungsinstrument eingesetzt, da je nach Laufzeit der Absicherung ein Zinsvorteil von 0,4 – 1,2% p.a. im Vergleich zur Euribor-gebundenen Finanzierung realisierbar war.

Aktuell dreht sich die Situation wieder! Diese Woche z.B. ist die Zinskurve am Kapitalmarkt um ca. 25bp gestiegen, da der Markt weitere aggressive Zinssenkungen der EZB als unrealistisch erachtet. Es kann daher im zweiten Quartal (Anm. nach den 2 prognostizierten Zinssenkungen der EZB im März und April) wieder attraktiv werden, Zinsoptionen bzw. Optionsstrategien (Collar) als Absicherungsinstrument einzusetzen.

Zinskurven im Vergleich

2) Fremdwährungsgeschäfte im Immobilienbereich – Wann sind sie sinnvoll?
Fremdwährungsfinanzierungen werden immer wieder diskutiert – aber nicht immer sinnvoll eingesetzt. Können Sie 1-2 Beispiele nennen, in denen Sie diese Strategie jedenfalls empfehlen würden? Worauf sollten Investoren besonders achten?

Beim Thema Fremdwährungsfinanzierungen im Immobilienbereich bin ich sehr skeptisch & sehe diese Finanzierungsform kritisch. Immobilieninvestment bedeutet für mich bewusst Chancen & Risiken im Immobilienmarkt einzugehen. Das Projekt sollte sich daher für den Investor mit einer Finanzierung in jener Währung rechnen, in der die Einnahmen erzielt werden. Es sollte kein Rendite-Boost durch Fremdwährungskomponenten notwendig sein, geschweige denn eine zusätzliche Risikokomponente aufgemacht werden.

Wenn jemand gerne auf Fremdwährungskurse, Fremdwährungszinsen oder beides „spekulieren“ möchte dann ist das eine legitime Entscheidung mit Renditechancen aber auch Risiken. Dies kann ich als Investor aber unabhängig von einem Immobilienengagement machen, und ich würde auch empfehlen diese beiden Investitionen voneinander zu trennen.

3) Rahmenabsicherungen für große Portfolios – Wie sinnvoll sind sie?
Viele Investoren finanzieren nicht nur Einzelobjekte, sondern ganze Portfolios mit gemischten Finanzierungsstrukturen. Wie können Rahmenabsicherungen (z. B. strukturierte Zinssicherungen über mehrere Darlehen hinweg) sinnvoll gestaltet werden? Welche Fehler sehen Sie in der Praxis?

Bei Finanzierungsportfolien bestehend aus vielen Einzelkrediten bin ich ein großer Freund von sogenannten Makrohedges. Insbesondere dann, wenn ich eine Unternehmensstruktur mir einer Holding als Muttergesellschaft über den SPVs etabliert habe. Einerseits verringert dies den Dokumentationsaufwand unter Mifid und WAG, weil nicht für jede Einzelgesellschaft die Dokumente eingeholt werden müssen. Andererseits ist es effizienter, (kleinere) Kredite gebündelt über größere Clips mit meiner Hausbank abzusichern.

2 wichtige Aspekte, die man dabei im Auge behalten muss, sind die Zinssatzfixierungen bei den variablen Krediten und das Einhalten der Sicherungsbeziehungen zw. Grundgeschäft und z.B. Swaps. Bei Ersterem ist es wichtig, dass die Anpassung des Euribor sowohl im Absicherungsgeschäft als auch im Finanzierungsportfolio zum gleichen Zeitpunkt stattfinden (z.B. zum Quartalsultimo), da ich mir andernfalls ein (kleines) Basisrisiko offenlasse. Bei Zweiterem ist darauf zu achten, dass mein internes Controlling entsprechend gut aufgesetzt ist, um Sondertilgungen, vorzeitige Rückführungen etc. im Makrohedge entsprechend zu berücksichtigen, um mit dem Wirtschaftsprüfer keine Diskussionspunkte bzgl. Overhedging zu haben.

4) Was übersehen die meisten Immobilienakteure, das mit einer einfachen Derivatlösung viele Risiken ausschließen würde?
Derivate sind oft als komplex wahrgenommen, aber sie können viele Finanzierungsrisiken mit einfachen Lösungen deutlich reduzieren. Welche typischen Fehler sehen Sie bei Immobilieninvestoren, die sich mit Derivaten vermeiden ließen?

Derivate haben meiner Meinung nach zu Unrecht einen schlechten Ruf. Die ersten mit heutigen Futures Kontrakten vergleichbaren Derivate wurde Mitte des 19 Jahrhundert auf Mais und Weizen gehandelt, um Landwirte vor einem Preisverfall zu schützen. Es dauerte jedoch nicht lange bis Spekulanten auf den Zug aufsprangen und ohne Grundgeschäft mit Futures Kontrakten auf fallende oder steigende Preise wetteten. Daraus resultierte der immer wiederkehrende, aber falsche Eindruck, dass Derivate reine Spekulationen sind. Ja, man kann mit derivativen Geschäften auch spekulieren. Sofern ich aber ein passendes Grundgeschäft habe, ist ein Zinsswap ein reines Absicherungsgeschäft und hat mit Spekulation nichts am Hut.

Hinsichtlich Komplexitätsgrad gibt es unterschiedlichste Abstufungen. Im Finanzjargon als Plain Vanilla bezeichnete Geschäfte (Zinsswap, Zinscap) sind sehr einfache und leicht verständliche Derivate, bei denen der Absicherungsgedanke im Vordergrund steht. Exotische Derivate hingegen haben verschiedene zusätzliche Komponenten eingebaut, die aus meiner Sicht oftmals neben dem Absicherungsgedanken einen (Rendite-) Optimierungscharakter besitzen. In der Immobilienbranche werden in Österreich vorwiegend Plain Vanilla Produkte eingesetzt.

Zum zweiten Teil der Frage: Ich würde nicht per se sagen, dass Immobilieninvestoren alle einen klassischen Fehler machen bzw. Punkte übersehen. Einen Eindruck, den ich gewonnen habe, ist ein zu enger oder ausschließlicher Fokus auf die zugrundeliegende Finanzierung. Klar, sie ist das Um und Auf eines Projektes, denn ohne Finanzierung gibt es keine Umsetzung. Man sollte jedoch vom Erstgespräch an mit seiner Bank auch die Komponenten des Zinsänderungsrisikos und die gewünschte Form der Absicherung mitdenken. Das Derivat in der Form eines Zinsswaps oder Caps bietet dabei sehr flexible Möglichkeiten, um die Absicherung an sich verändernde Marktbedingungen, Zinsmeinungen etc. unabhängig vom Kreditvertrag anzupassen. Darin sehe ich auch den größten Vorteil im Einsatz von derivativen Produkten. Durch eine Rahmendokumentation für diese Geschäfte kann ich - ohne Eingriff in den Kreditvertrag – auf Marktopportunitäten blitzschnell reagieren und somit mein Zinsänderungsrisiko proaktiv nach meiner festgelegten Risikostrategie anpassen.

5) Ausblick 2025 – Was sollten Finanzierungsentscheider jetzt auf dem Schirm haben?
Angesichts steigender Regulierungen, möglicher Marktverschiebungen und einer sich verändernden Bankenlandschaft: Was sollten Investoren und Projektentwickler in den nächsten 12-18 Monaten unbedingt beachten, wenn sie ihre Finanzierungsstruktur optimieren wollen?

Die letzten 3 Jahre haben mich/uns gelehrt, dass man ständig aufmerksam bleiben sollte, um diverse Entwicklungen nicht zu verschlafen. Nachdem wie oben gesagt, die Zinskurve wieder in Richtung eines normalen, ansteigenden Verlaufs tendiert, sollte man sich nicht davon abschrecken lassen Zinsabsicherungen zu tätigen, nur weil es im Vergleich zu variablen Finanzierungen einen Deut teurer ist. Die Siebziger-Jahre in den USA können uns hier heute ein warnendes Beispiel sein. Auch hier gab es nach einer ersten Phase mit hoher Inflation & Zinsen (Bretton-Woods, erste Ölkrise) 2 Jahre eine Konsolidierung, in der man dachte, dass sowohl Inflation als auch Zinsen stabil niedrig bleiben werden. Doch es dauerte nicht sehr lange bis die Zinsen wieder anstiegen und letztlich mit der islamischen Revolution 1979 einen Höhepunkt fanden, der noch deutlich über dem ersten Zinspeak zu liegen kam.
Ich hoffe, dass sich die Geschichte nicht reimt, aber grundsätzlich ist die aktuelle geopolitische Lage sehr angespannt und ich wäre nicht überrascht, wenn die Inflation und damit die Zinsen wieder deutlich anziehen.

US Zinsen & Inflation im Vergleich


6) Persönlich: Sie begleiten seit vielen Jahren die Immobilienfinanzierungsbranche – gibt es eine Entwicklung oder ein Finanzierungsinstrument, das Sie besonders fasziniert oder an das Sie vor 10 Jahren nicht geglaubt hätten?

Interessanterweise sind genau vor 10 Jahren zum ersten Mal in Europa (EZ) die Zinssätze negativ geworden. Ein Fakt, den viele nicht für möglich gehalten haben, obwohl es in anderen Währungen schon davor passiert war. Etwas, dass mich dann lange ratlos zurückgelassen hat war der Umstand, dass trotz negativer Kapitalmarktzinsen viele Unternehmen Ihre Zinsen nicht langfristig abgesichert haben. Fasziniert hat mich in diesem Zeitraum die Idee eines Investors seine Projektfinanzierungen in Grundstücks- und Immobilienfinanzierungen zu trennen. Dies scheint auf den ersten Blick nichts besonders Aufregendes zu sein. ABER der Hintergedanke war, dass er die Grundstücksfinanzierung auf mind. 50 oder gerne auch 100 Jahre mittels Interest Rate Swap absichern wollte. Ähnlich dem 100-jährigen Bond der Republik im Jahr 2017. Im Rückspiegel betrachtet - bei damals negativen Swapsätzen - wäre diese Idee bei erfolgreicher Umsetzung wohl der Deal des Lebens gewesen.

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Preferred Equity: Kein Allheilmittel – aber ein strategisches Werkzeug in schwierigen Marktphasen

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Zinsswaps in der Immobilienfinanzierung: Chancen und Risiken